ZB Behinderung & Beruf 2/2020

FORUM ZB 2 I 2020 ellen Arbeitsvertrag oder von tariflichen Bestimmungen. Arbeitet ein schwerbehin- derter Arbeitnehmer beispielsweise laut Vertrag sechs Stunden täglichundder Chef benötigt ihn für einen dringendenAuftrag länger, bedeutet das: Der Arbeitnehmer mussÜberstundenmachen. Erstwennder Schwerbehinderte länger als acht Stunden amTagarbeitensoll, kanner „denHammer fallen lassen“. Das SGB IX schützt schwer- behinderte Arbeitnehmer damit vor Arbeitstagen, die länger als acht Stunden dauern. Ansonstenmuss ein schwerbehin- derter Mensch Überstunden machen wie jeder andere Arbeitnehmer auch. ARGUMENT 5: Schwerbehinderte Menschen dürfen nicht für Schichtarbeit eingesetzt werden. Grundsätzlich sind schwerbehinderte Menschen nicht von Schichtarbeit befreit. Ähnlich wie bei den Überstunden kann sich ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hier nicht verweigern und muss auch Schichtarbeit verrichten. Einzige Ausnah- me ist, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage ist, Früh- oder Spätschichten zu übernehmen. Im Prinzip gilt so eine individuelle Rege- lung aber für jeden Arbeitnehmer, der ein Attest von seinem Arzt vorlegt. ARGUMENT 6: Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben mehr Urlaub. Das stimmt. Schwerbehinderte Arbeit- nehmer haben über den regulärenUrlaub hinausgehend weitere Urlaubstage. Wie viele Zusatztage das sind, richtet sichnach der vereinbarten Arbeitszeit. Ein Arbeit- nehmer mit einer Dreitagewoche hat Anspruch auf drei Tage Zusatzurlaub, bei einer Fünftagewoche sind es fünf Tage Zusatzurlaub. Keine Frage: Für den Betrieb sind das Mehrkosten. Auf der anderen Seite spart das Unternehmen aber auch einenTeil der Kosten der Ausgleichsabgabe, die durch die Besetzung der Stellemit dem schwer- behinderten Arbeitnehmer entfallen. ARGUMENT 7: Schwerbehinderte Menschen sind unkündbar. Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen bedeutet nicht, dass schwerbehinderte Menschen unkündbar sind. Er besagt lediglich, dass eine Kündigung nur möglich ist, wenn das Integrationsamt zugestimmt hat. In den letzten Jahrenhabendie Integrationsämter in rund 80 Prozent der Fälle die Zustim- mung zur Kündigung erteilt. Dies liegt daran, dass der Großteil der Anträge auf Zustimmung zur Kündigung auf betriebs- bedingte Gründe zurückgeht. Bei diesen Gründen besteht in der Regel kein Zusam- menhangmit der Schwerbehinderung des zu kündigenden Mitarbeiters. Sinn und Zweck des besonderen Kündigungsschut- zes für schwerbehinderteMenschen nach dem SGB IX ist es aber, die behinderungs- bedingten Nachteile des Arbeitnehmers auszugleichen und den schwerbehinder- ten Menschen vor Kündigungen zu schüt- zen, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Schwer- behinderteneigenschaft besteht. Ist dies – wie überwiegend bei den Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen – nicht der Fall, ist das Ermessen der Integrations- ämter in der Regel ganz oder wesentlich eingeschränkt. Dann wird die Zustim- mung bei Vorliegen der gesetzlichen Vor- aussetzungen in der Regel erteilt. ■ Auch schwerbe­ hinderte Menschen sind Kunden! In Deutschland gibt es 7,8 Millio- nen schwerbehinderte Menschen. Gerade Großunternehmen können es sich betriebswirtschaftlich nicht erlauben, diese große Kundengrup- pe zu ignorieren. Im Gegenteil: Inklusion und Vielfalt können für Unternehmen zum Aushänge- schild werden und für Sympathie auf Kundenseite sorgen. 15

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